Thomas Gräfe hat recherchiert

Dreieinhalb Jahre Zuchthaus für eine versteckte Schreibmaschine – NS-Verfolgte in Vlotho: Der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (27.1.1945) sollte ursprünglich nicht nur an den Holocaust erinnern, sondern an alle Opfer des Nationalsozialismus. Das gilt eigentlich auch für die Stolpersteine. Doch gab es in Vlotho überhaupt nichtjüdische NS-Verfolgte?

Die zerstörte Vlothoer Synagoge

Im Kommunalarchiv sind neue Unterlagen zum 10. November 1938 in Vlotho aufgetaucht. Die jüdische Geschichte Vlothos im Dritten Reich ist ausführlich untersucht worden von Manfred Kluge, der für die Mendel-Grundmann-Gesellschaft mehrere Bücher dazu veröffentlichte. Um so erstaunlicher ist es, dass im Kommunalarchiv Herford noch im Jahr 2022 neue Unterlagen dazu auftauchten.

Guy Stern (links) und Christian Bauer

 „Wir sind nur noch wenige – Erinnerungen eines hundertjährigen Ritchie Boys“ heißt der Titel der Autobiografie, die jetzt zum 100. Geburtstag am 14. Januar 2022 von Guy Stern erscheint. Das Buch hat einige Bezüge zu Vlotho. Guy Stern wuchs als Günther Stern in Hildesheim auf. Vater Julius Stern, Sohn des Besitzers eines Bekleidungsgeschäfts im hessischen Ulrichstein, hatte seine spätere Ehefrau, die Kaufmannstochter Hedwig Silberberg, in Vlotho kennengelernt.

Unterlagen der Silberbergs

Wer sich über die Geschichte Vlothos informieren will, ist noch heute auf das Buch des Lehrers und Heimatkundlers Karl Großmann (1896-1981) aus dem Jahr 1971 angewiesen. Seine Darstellung des Dritten Reiches ist äußerst knapp und lückenhaft. Immerhin verschweigt Großmann die Judenverfolgungen nicht und hält über die Deportationen fest: „Nach Vlotho kehrte keiner zurück.“ Doch das stimmt nicht.

Mahnmal der Vlothoer Opfer

Auf dem Mahnmal für die Vlothoer Holocaustopfer ist auch der Name Ilse Charigs zu finden, obwohl sie schon 1933 nicht mehr in Vlotho lebte. Zum einen sollten damit alle Geschwister der Familie Mosheim auf dem Monument zusammengefasst werden. Doch es gibt noch einen anderen Grund, den Namen Charig auch in Vlotho nicht zu vergessen.

Der Gedenkstein in Vlotho

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der in der Sprache der Nationalsozialisten als »Reichskristallnacht« in die Geschichtsbücher eingehen sollte, war es in Vlotho ruhig geblieben. Am frühen Morgen des 10. Novembers kam der Landrat nach Vlotho und sprach mit dem Bürgermeister und dem NSDAP-Ortsgruppenleiter über die Geheimbefehle, die er in der Nacht bekommen hatte.

Cookies erleichtern uns die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen