Gegenstände, die jüdisches Leben in Vlotho belegen, sind im Gegensatz zu schriftlichen Quellen sehr selten. Um so größer war die Freude beim Vorstand der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, dass eine solche Rarität nun aufgetaucht ist: ein Kuchenteller aus dem Hause der Familie Loeb.

Ein solcher Fund ist deshalb so besonders, weil es bisher hauptsächlich schriftliche Quellen zur Geschichte der Vlothoer Juden gibt. Diese sind außerdem auch recht gut erforscht, wie die im Herbst erschienene Neuauflage von »Sie waren Bürger unserer Stadt« zeigt. Wie das ehemalige Vorstandsmitglied Manfred Kluge mitteilt, haben sich nun die guten Beziehungen der Mendel-Grundmann-Gesellschaft zum Dokumentationszentrum Alte Synagoge Petershagen wieder einmal bewährt. So habe Wolfgang Battermann, stellvertretender Vorsitzende des Petershäger Vereins, die Mendel-Grundmann-Gesellschaft darüber informiert, dass eine Bürgerin aus Bad Oeynhausen einen aus dem Hause Loeb stammenden Kuchenteller gestiftet hatte.

Die Großzügigkeit der Familie

Zur offiziellen Übergabe des Tellers fuhren der Vorsitzende Ralf Steiner und Manfred Kluge gemeinsam mit der Stifterin Marianne Neander nach Petershagen. Dort berichtete Marianne Neander, wie der Kuchenteller in die Hände ihrer Mutter gekommen war: Ihre Mutter, Helene Zurheide (später verheiratete Möller) ging von 1930 bis 1934 bei der Maßschneiderin Reinert in Vlotho in die Lehre. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, Botengänge zu den Auftraggebern zu machen, so zum Beispiel zu den führenden jüdischen Textilgeschäften in Vlotho, zu Rüdenberg und Loeb. Als Dank bekam sie manchmal kleinere oder größere Geschenke: Teile zur Aussteuer, aber auch Porzellan. Vom Ehepaar Gustav und Helene Loeb, die in Vlotho das zweitgrößte Textilkaufhaus führten, erhielt sie, vielleicht zum Abschluss ihrer Lehrzeit, einen Kuchenteller »Rosenthal Ivory Bavaria« geschenkt. Ob der Teller aus dem Haushalt der Familie Loeb stammt, oder als Geschenk erworben wurde, kann nicht mehr geklärt werden. Manfred Kluge: »Etwas anderes aber kann der Teller bezeugen. Er verweist auf die Großzügigkeit, die der Familie Loeb eigen war. Wir erinnern daran, dass die Loebs ihre überwiegend christlichen Angestellten zu Weihnachten regelmäßig mit Geschenken bedachten.«

Helene Möller (geboren Zurheide), die 1988 verstorben ist, hat die Geschichte ihrer Tochter Marianne erzählt. Aber erst jetzt kam Marianne Neander nach Gesprächen mit ihrer Nachbarin auf die Idee, den Kuchenteller, der jahrelang in ihrem Wohnzimmerschrank gestanden hat, der Öffentlichkeit zu übergeben. Das Dokumentationszentrum Alte Synagoge Petershagen erschien als geeigneter Ort, um den Teller in einem angemessenen Rahmen zu präsentieren. Der Rosenthal-Teller, der Chanukka-Leuchter und passend dazu das neue Buch der Mendel-Grundmann-Gesellschaft bilden dort nun ein kleines Vlothoer Ensemble. In einem Begleittext wird auch kurz auf das Schicksal der jüdischen Familie Loeb eingegangen: »Loebs betrieben ein Textilkaufhaus in Vlotho, Lange Straße 104. Sie wurden deportiert und in Riga ermordet. Ihr Sohn Hans überlebte in den USA…«

Quelle: Vlothoer Zeitung

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