Manfred Kluge

Im März 2018 verstarb Manfred Kluge im Alter von 78 Jahren. Bei der Trauerfeier in der Valdorfer Kirche am 9. Mai 2018 erinnerte der Vorsitzende der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, Pfarrer Ralf Steiner an sein Wirken:

Die Mendel-Grundmann-Gesellschaft Vlotho verliert mit Manfred Kluge nicht einfach ein verdientes Vorstandsmitglied. Manfred, gemeinsam mit Helmut Urbschat, war die Mendel-Grundmann-Gesellschaft.

Nachdem Helmut vor 53 Jahren mit einigen anderen und in enger Verbundenheit mit Stephan H. Loeb den Verein gegründet hat, wurde ihr Ziel umgesetzt: das Mahnmal mit den Namen der Vlothoer Opfer der Shoa am Jüdischen Friedhof.

Dass die Erinnerungsarbeit damit erst richtig in Gang kam, war 20 Jahre später zunehmend das Verdienst von Manfred Kluge. Zum 50. Jahrestag des Novemberpogroms organisierte er mit Helmut Urbschat und etlichen Mitstreitern die „Jüdische Woche“. 21 jüdische Gäste aus aller Welt wohnten der Enthüllung des Synagogen-Gedenksteins bei und erlebten Vlotho unerwartet als freundliche Stadt, die ihre jüdische Geschichte nicht vergisst.

Nicht nur auf jüdischer Seite kamen tausend Fragen auf: nach den Schicksalen der Menschen, nach den Abläufen des November-progroms, zur „Arisierung“ und späteren „Wiedergutmachung“.

Das Zusammensetzen eines Puzzles

Besonders in seinem Ruhestand durchforstete Manfred Archive und brachte nach und nach spannende Details über die jüdischen Menschen, ihre Gemeinde und ihre Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft ans Licht. Manfred sagte: „Es ist wie ein riesiges Puzzle, wo man Teil für Teil zusammenfügt und ein immer klareres Gesamtbild entsteht, da kann man einfach nicht aufhören!“

Wichtig war ihm, das Judentum nicht nur aus der grausamen Zeit des Nationalsozialismus zu beleuchten, sondern seinen kulturellen Beitrag in der deutschen Geschichte zu würdigen. „Sie waren Bürger unserer Stadt“ hieß und heißt dann auch sein wichtigstes Buch. Sie waren angesehene Nachbarn, die uns fehlen und an denen viele der damaligen Generation schuldig geworden sind. Wir aber wollen nicht schuldig werden, indem wir sie vergessen und so tun, als ob das alles nicht geschehen wäre und wir nichts daraus zu lernen hätten. - Mit dieser inneren Überzeugung prägte Manfred die Mendel-Grundmann-Gesellschaft maßgeblich.

Nicht allen in Vlotho war das Recht, wenn der Finger auf diese Wunde gelegt wurde. „Anerkennung habe ich ja nicht immer gefunden“ so sagte er mir bei unserem letzten Telefonat, „deshalb danke ich euch für die Würde des Ehrenvorsitzenden, die ich mit Genugtuung annehme!“ Auch aus dankbaren Briefen der Nachfahren ehemaliger Vlothoer Juden, ich nenne Betty Loeb oder Sue Alterman-Moss in den USA, bezog Manfred seine Kraft. Sie haben auch die Nominierung für den Obermayer German Jewish History Award veranlasst. Es waren herausragende Tage in unserem Leben, wir haben ja gestern Bilder davon in der Vlothoer Zeitung gesehen:

Manfred überreicht dem Berliner Parlaments-präsidenten Walter Momper ein Exemplar des Buches mit den Loeb-Briefen. Manfred organisiert die Stolperstein-Verlegungen mit dem Kölner Künstler Gunther Demnig. Manfred referiert über die jüdische Geschichte in faszinierenden Details. Manfred präsentiert nach jahrelanger Kleinarbeit glücklich die Neuauflage des Buches „Sie waren Bürger unserer Stadt“.

Ein reiches Erbe

Wir alle behalten unsere Bilder von Manfred Kluge in unserer Erinnerung. Auch er bleibt sicherlich unvergessen. Denn, obwohl ich am Anfang gesagt habe, Manfred war die Mendel-Grundmann-Gesellschaft, wird diese heute nicht begraben. Verantwortlich wie Manfred war, hat er uns den Schatz seiner Arbeit vermacht, in Büchern, auf der Internetseite, durch die Ausstellungsplakate im Schaufenster ... Wir werden damit weiter arbeiten, des Vergangenen gedenken und den kommenden Generationen von denen erzählen, die als jüdische Menschen ein wichtiger Teil Vlothos waren.

Zum Schluss zitiere ich aus der Präambel des Obermayer Deutsch-Jüdischen Geschichtspreises: „Die deutsche Regierung ist sich heute bewusst, wie gefährlich kurz der Weg von der Arroganz über Selbstgerechtigkeit, Intoleranz, Hass und Unterdrückung bis hin zur Entmenschlichung und Barbarei sein kann – und sie sind die Ersten, die sagen: `Nie wieder!´“.

Persönlichkeiten wie Manfred Kluge haben einen großen Beitrag dafür geleistet, dass junge Menschen heute selbstbewusst ein differenziertes, aber positives Verhältnis zu ihrem Heimatland entwickeln können; dass wir alle gern in Vlotho als vielfältiger, weltoffener und geschichtsbewusster Stadt leben.

Danke Manfred!

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